Von der Raupe zur Schlupfwespe

Die Entwicklung eines Endoparasitoiden und seines Wirts in Bildern

Eigentlich habe ich mich nach einem Raupenfund von Calliteara pudibunda darauf gefreut, im nächsten Jahr einen Falter begrüßen zu können, aber es ist anders gekommen und nun gibt es eine Schlupfwespe mehr.
Das war der Anlass für mich, im Internet nach "Parasitoiden" zu suchen. Eine Einführung in die Welt der Parasitoide, sowie detaillierte Informationen zu parasitoiden Gruppen von Arthropoden und deren Lebensweise gibt es in [1].

Calliteara pudibunda - Buchen-Streckfuß

Der Buchen-Streckfuß, auch Buchenrotschwanz genannt, ist ein Schmetterling aus der Unterfamilie der Trägspinner (Lymantriinae). Die Trägspinner (früher Lymantriidae) gehören jetzt zur Familie Erebidae innerhalb der Überfamilie Noctuoidea.[2] Der deutsche Name Buchen-Streckfuß ist auf die langgesteckten und dicht behaarten Vorderbeine des Falters zurückzuführen. Der Name Buchenrotschwanz bezieht sich auf das auffällige rote Haarbüschel auf dem 11. Segment der Raupe.
Die mittelgroßen Falter mit einer Flügelspannweite zwischen 37 und 67 mm fliegen in einer Generation zwischen Ende April und Juli. Raupen kann man von Juni bis Oktober finden. Diese fressen an verschiedenen Bäumen und Sträuchern, u. a. an Buche, Birke, Weide, Hasel, Eberesche und Eiche. Die Raupen verpuppen sich in einem Kokon, die Puppe überwintert und im Frühjahr, ab Ende April, schlüpft eine neue Faltergeneration. Bilder des Buchen-Streckfußes und weiterführende Informationen gibt es in [3-5].

Die Raupe

Am 11. Juli habe ich an einem Buchenblatt die in den Bildern 1 und 2 gezeigte Jungraupe von Calliteara pudibunda gefunden. Diese hat sich am 18. Juli gehäutet. Die Bilder 3 bis 5 zeigen die Raupe nach der 1. Häutung unter meiner Obhut. Anschließend saß sie die meiste Zeit regungslos am Deckel des Zuchtgefäßes. Ich habe ihr verschiedene Blätter angeboten, aber es war nicht zu erkennen, dass sie etwas gefressen hatte.

  • Bild 1: Jungraupe <br>(2014:07:13)
    Bild 1: Jungraupe
    (2014:07:13)
    Bild 1: Jungraupe
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  • Bild 2: Jungraupe <br>(2014:07:15)
    Bild 2: Jungraupe
    (2014:07:15)
    Bild 2: Jungraupe
    (2014:07:15)
  • Bild 3: Nach der 1. Häutung <br>(2014:07:20)
    Bild 3: Nach der 1. Häutung
    (2014:07:20)
    Bild 3: Nach der 1. Häutung
    (2014:07:20)
  • Bild 4: Unterseite <br>(2014:07:26)
    Bild 4: Unterseite
    (2014:07:26)
    Bild 4: Unterseite
    (2014:07:26)
  • Bild 5: Unterseite <br>(2014:07:26)
    Bild 5: Unterseite
    (2014:07:26)
    Bild 5: Unterseite
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Da sie sich wieder gehäutet hat, waren meine Sorgen, dass ihre Lieblingsblattsorte nicht in meiner Auswahl war, zunächst unbegründet. Die Bilder 6 und 7 zeigen die Raupe nach der 2. und die Bilder 8 und 9 nach der 3. Häutung. In diesem Zeitraum hat sie etwas mehr gefressen. Auf Bild 8 ist die Raupe gemeinsam mit der abgestreiften Haut an ihrem Lieblingsplatz zu sehen. Deutlich erkennbar sind die durch die Haare verursachten Kratzspuren. Die Bilder 10 bis 13 zeigen die Raupe in ihrer letzten Haut. Die Raupe lebte am 15. September noch und hat sich bewegt (Bild 11). Danach saß sie regungslos an der Deckelunterseite (Bild 12 und 13). Im Gegensatz zu den meisten anderen ausgewachsenen Raupen von Calliteara pudibunda [3,5] besitzt sie nur 2 "Bürsten". In [4] wird als Größe für ausgewachsene weibliche Raupen von Calliteara pudibunda ca. 50 mm angegeben. Für die männlichen Raupen, die kleiner sein sollen, gibt es leider keine Größenangabe. Die hier gezeigte Raupe hat eine Länge von ca. 2 cm erreicht (Bild 10) und ist in den letzten 2 Wochen nur etwas dicker geworden.

  • Bild 6: Nach der 2. Häutung <br>(2014:08:16)
    Bild 6: Nach der 2. Häutung
    (2014:08:16)
    Bild 6: Nach der 2. Häutung
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  • Bild 7: Nach der 2. Häutung <br>(2014:08:16)
    Bild 7: Nach der 2. Häutung
    (2014:08:16)
    Bild 7: Nach der 2. Häutung
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  • Bild 8: Nach der 3. Häutung <br>(2014:08:22)
    Bild 8: Nach der 3. Häutung
    (2014:08:22)
    Bild 8: Nach der 3. Häutung
    (2014:08:22)
  • Bild 9: Nach der 3. Häutung <br>(2014:08:28)
    Bild 9: Nach der 3. Häutung
    (2014:08:28)
    Bild 9: Nach der 3. Häutung
    (2014:08:28)
  • Bild 10: Nach der 4. Häutung <br>(2014:09:02)
    Bild 10: Nach der 4. Häutung
    (2014:09:02)
    Bild 10: Nach der 4. Häutung
    (2014:09:02)
  • Bild 11: Nach der 4. Häutung <br>(2014:09:15)
    Bild 11: Nach der 4. Häutung
    (2014:09:15)
    Bild 11: Nach der 4. Häutung
    (2014:09:15)
  • Bild 12: Am Tag vor dem Schlupf<br>(2014:09:19)
    Bild 12: Am Tag vor dem Schlupf
    (2014:09:19)
    Bild 12: Am Tag vor dem Schlupf
    (2014:09:19)
  • Bild 13: Am Tag vor dem Schlupf<br>(2014:09:19)
    Bild 13: Am Tag vor dem Schlupf
    (2014:09:19)
    Bild 13: Am Tag vor dem Schlupf
    (2014:09:19)


Am 20. September wurde ersichtlich, warum die Raupe so klein geblieben ist und, dass es keinen Falter geben würde.

Der Endoparasitoid

Gegen 15:30 Uhr schlüpfte eine dicke Larve, die etwas heller als auf den Bildern aussah, aus der Raupenhaut. Bild 14 zeigt die Larve gemeinsam mit der ausgefressenen Haut von Calliteara pudibunda. Die emsige Larve begann sofort damit sich einzuspinnen (Bild 15 bis 21). Nach weniger als 2 Stunden lag ein kleines "Brötchen" neben der Raupenhaut (Bild 22).

  • Bild 14: Frisch geschlüpfte Larve<br>(2014:09:20 15:58:29)
    Bild 14: Frisch geschlüpfte Larve
    (2014:09:20 15:58:29)
    Bild 14: Frisch geschlüpfte Larve
    (2014:09:20 15:58:29)
  • Bild 15: Larve beim Einspinnen<br>(2014:09:20 16:07:54)
    Bild 15: Larve beim Einspinnen
    (2014:09:20 16:07:54)
    Bild 15: Larve beim Einspinnen
    (2014:09:20 16:07:54)
  • Bild 16: Larve beim Einspinnen<br>(2014:09:20 16:08:38)
    Bild 16: Larve beim Einspinnen
    (2014:09:20 16:08:38)
    Bild 16: Larve beim Einspinnen
    (2014:09:20 16:08:38)
  • Bild 17: Larve beim Einspinnen<br>(2014:09:20 16:10:09)
    Bild 17: Larve beim Einspinnen
    (2014:09:20 16:10:09)
    Bild 17: Larve beim Einspinnen
    (2014:09:20 16:10:09)
  • Bild 18: Larve beim Einspinnen<br>(2014:09:20 16:10:45)
    Bild 18: Larve beim Einspinnen
    (2014:09:20 16:10:45)
    Bild 18: Larve beim Einspinnen
    (2014:09:20 16:10:45)
  • Bild 19: Larve beim Einspinnen<br>(2014:09:20 16:12:14)
    Bild 19: Larve beim Einspinnen
    (2014:09:20 16:12:14)
    Bild 19: Larve beim Einspinnen
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  • Bild 20: Larve beim Einspinnen<br>(2014:09:20 16:25:25)
    Bild 20: Larve beim Einspinnen
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    Bild 20: Larve beim Einspinnen
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  • Bild 21: Larve beim Einspinnen<br>(2014:09:20 16:25:51)
    Bild 21: Larve beim Einspinnen
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    Bild 21: Larve beim Einspinnen
    (2014:09:20 16:25:51)
  • Bild 22: Larve ca. 2 Stunden nach dem Schlupf<br>(2014:09:20 17:29:16)
    Bild 22: Larve ca. 2 Stunden nach dem Schlupf
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    Bild 22: Larve ca. 2 Stunden nach dem Schlupf
    (2014:09:20 17:29:16)


Aus diesem entstand über Nacht der in den Bildern 23 und 24 gezeigte 6,5 mm große Kokon. Ca. 2 Wochen später, am 6. Oktober, ist aus dem Kokon eine Wespe geschlüpft. Bild 25 zeigt den leeren Kokon.

  • Bild 23: Kokon mit Raupenhaut<br>(2014:09:21 10:13:42)
    Bild 23: Kokon mit Raupenhaut
    (2014:09:21 10:13:42)
    Bild 23: Kokon mit Raupenhaut
    (2014:09:21 10:13:42)
  • Bild 24: Kokon<br>(2014:09:22)
    Bild 24: Kokon
    (2014:09:22)
    Bild 24: Kokon
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  • Bild 25: Kokon mit Schlupfloch <br>(2014:10:08)
    Bild 25: Kokon mit Schlupfloch
    (2014:10:08)
    Bild 25: Kokon mit Schlupfloch
    (2014:10:08)


Die etwa 9 mm lange, sehr flinke Wespe konnte leider nicht stillsitzen und rannte die meiste Zeit an der transparenten Abdeckung des Gefäßes, in dem sie untergebracht war, herum (Bilder 26 - 28). Als ich die Abdeckung für weitere Fotos (Bilder 29 und 30) entfernt hatte, nutzte die Wespe die Gelegenheit zur Flucht.

  • Bild 26: Unterseite<br>(2014:10:07)
    Bild 26: Unterseite
    (2014:10:07)
    Bild 26: Unterseite
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  • Bild 27: Unterseite<br>(2014:10:07)
    Bild 27: Unterseite
    (2014:10:07)
    Bild 27: Unterseite
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  • Bild 28: <br>(2014:10:07)
    Bild 28:
    (2014:10:07)
    Bild 28:
    (2014:10:07)
  • Bild 29: Seitenansicht<br>(2014:10:09)
    Bild 29: Seitenansicht
    (2014:10:09)
    Bild 29: Seitenansicht
    (2014:10:09)
  • Bild 30: Oberseite<br>(2014:10:09)
    Bild 30: Oberseite
    (2014:10:09)
    Bild 30: Oberseite
    (2014:10:09)
  • Bild 31: Vorderansicht<br>(2014:10:08)
    Bild 31: Vorderansicht
    (2014:10:08)
    Bild 31: Vorderansicht
    (2014:10:08)


Da auf Bild 30 die Äderung der Flügel gut erkennbar ist, konnte die Wespe den Campopleginae, einer Unterfamilie der Schlupfwespen zugeordnet werden. Bild 31 zeigt noch eine Vorderansicht des Kopfes der Wespe.

Schlupfwespen - Unterfamilie Campopleginae

Die Schlupfwespen (Ichneumonidae) sind die artenreichste Familie der Hautflügler mit mehr als 30 Unterfamilien.[1] Für die Unterfamilie Campopleginae sind in Deutschland derzeit 457 Arten nachgewiesenen.[2]
Wespen aus der Unterfamilie Campopleginae sind in der Regel koinobionte Endoparasitoiden von holometabolen Insektenlarven.
Holometabole Insekten sind Insekten, die in ihrer Entwicklung eine vollständige Umwandlung (Metamorphose) von einer Larve über eine Puppe zum ausgewachsenen Insekt (Imago) durchmachen.[6] Endoparasitoiden leben im Innern des Wirts. Koinobionte Endoparasitoiden erlauben dem Wirt zunächst, seine Entwicklung fortzusetzen. Der Wirt kann fressen, wachsen und sich mehrfach häuten. Der Parasitoid frisst Teile des Wirtskörpers, verschont aber zunächst lebenswichtige Organe. Kurz vor der Verpuppung oder dem Schlupf des Parasitoides wird der Wirt in der Regel getötet. Das erfolgt meist, wie auch im hier gezeigten Beispiel von Calliteara pudibunda, wenn der Wirt sein Wachstum einstellt und sich z.B. von der Larve zur Puppe häuten will.[7] Wirte der Campopleginae sind neben Schmetterlingen (Lepidoptera) auch Pflanzenwespen (Symphyta), Käfer (Coleoptera) und Kamelhalsfliegen (Raphidiidae).[1]

Vielen Dank an Rapha1 für die Bestätigung der Unterfamilie Campopleginae im HymIS-Forum.

Quellen und weiterführende Literatur:
[1] http://www.faunistik.net/PONLINE/index.html, http://www.faunistik.net/PONLINE/_EINFUEHRUNG/index.html
[2] de Jong, Y.S.D.M. (ed.) (2013) Fauna Europaea version 2.6.2 Web Service available online at http://www.faunaeur.org
[3] http://www.lepiforum.de/lepiwiki.pl?Calliteara_Pudibunda
[4] http://de.wikipedia.org/wiki/Buchen-Streckfu%C3%9F
[5] http://www.schmetterling-raupe.de/art/pudibunda.htm
[6] http://de.wikipedia.org/wiki/Holometabole_Insekten
[7] http://de.wikipedia.org/wiki/Parasitoid